„Brüderchen und Schwesterchen“ Bonndorf und Reutlingen
Berührend und fesselnd – Reutlinger General-Anzeiger – Nachrichten – KulturKonzertlesung – »Brüderchen und Schwesterchen«
Berührend und fesselnd
VON HEIKO REHMANN
REUTLINGEN. »In alten Zeiten lebten in einer kleinen Stadt zwei Kinder.« Einige Dutzend Kinder sitzen mit ihren Eltern im kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle, die Augen auf die Bühne gerichtet, und hören fast eine Stunde lang mucksmäuschenstill zu, so spannend liest Stephanie Schönfeld. Das Märchen »Brüderchen und Schwesterchen« nach den Brüdern Grimm hat Ute Kleeberg eingerichtet, die mit Uwe Stoffel die künstlerische Leitung des »Musikalisch-literarischen Salons Reutlingen« innehat.
Den beiden Kindern widerfährt im Märchen so ziemlich jedes Unglück, das man sich nur ausdenken kann. Erst stirbt die Mutter, dann der Vater, und weil sie es bei der bösen Stiefmutter nicht aushalten, gehen sie ganz allein in den Wald. Dort wird der Junge in ein Reh verwandelt und vom König des Landes gejagt. Dabei verliebt sich der König in die wunderschöne Schwester des Rehs, heiratet sie und nimmt ihren verwandelten Bruder gleich mit auf sein Schloss.
Als die böse Stiefmutter von diesem unerwarteten Glück hört, tötet sie die junge Königin, um ihre eigene Tochter auf den Thron zu setzen. Und wie es sich für ein richtiges Märchen gehört, geht am Ende alles gut aus: Der König erweckt mit der richtigen Frage seine Frau wieder zum Leben – vielleicht ein Anklang an Parzival, der die entscheidende Frage versäumt? –, das Reh erhält seine menschliche Gestalt zurück und die böse Stiefmutter wird für immer vertrieben.
Verträumte Klänge
Stephanie Schönfeld liest lebendig, mit klarer Artikulation, gekonnt gesetzten Pausen und passender Betonung. Lautmalerisch macht sie die Geschichte erlebbar. Atemlos schildert sie die Jagd, ängstlich und verzagt lässt sie die Schwester nach ihrem Bruder rufen. Es gelingt ihr, die Märchenhandlung und die Figuren so plastisch werden zu lassen, dass alle Kinder von Anfang bis Ende mit Haut und Haaren bei der Sache sind. Und ihre Eltern vermutlich auch.
Zwischen den Erzählblöcken sorgen Carla Blackwood am Horn, Jean-Éric Soucy an der Bratsche und Sonia Simard am Klavier mit Trios von Saint-Saëns, Koechlin, Rossini, Gubaidulina und Marcello für die musikalische Begleitung. Weich lassen sie die Töne durch den Saal fluten, untermalen die Geschichte mit verträumten Klängen, atemlosen Läufen und flotten Trillern. Musik und Text sind an diesem Nachmittag eine wunderbare Symbiose eingegangen, die sicher kein Kind unberührt gelassen hat. (GEA)
Reutlinger Generalanzeiger Mittwoch, 02. Dezember 2015
…. und noch eine Pesprechung von Bonndorf