Musikalisch literarischer Salon Reutlingen 2013

Posted on Dez 17, 2013 in Presse, Termine und Kritiken

Musikalisch-literarischer Salon – Ute Kleebergs Musik-Märchen vom Mondtuch im kleinen Saal der Stadthalle
Die Kraft der Träume
VON MARTIN BERNKLAU
REUTLINGEN. Kinder lieben Märchen. Kinder brauchen Märchen – auch solche, in denen es nicht spannend oder bedrohlich zugeht, sondern ruhiger, beschaulicher. Ute Kleeberg hat so ein Märchen entdeckt, als sie auf die Suche nach einer Geschichte zu Maurice Ravels »Le tombeau de Couperin« geschickt wurde. Als Familienkonzert des Musikalisch-literarischen Salons erklang »Das Mondtuch« am Sonntagnachmittag. Die Kinder, so ab sieben Jahren, schauten und lauschten gebannt, ganz mucksmäuschenstill dem Erzähler Stephan Baumecker und dem Quintette Aquilon im gut besetzten kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle.

Richard von Volkmann, ein recht berühmter Chirurg, hatte sein Märchen »Vom unsichtbaren Königreiche« während des Sanitätseinsatzes im deutsch-österreichischen Krieg von 1866 geschrieben und unter dem Künstlernamen Richard Leander veröffentlicht. Ute Kleeberg hat die Motive wie die Sprache aufgenommen und die Geschichte stark verändert, die Erzählung von dem stillen Bauernjungen Michel, den sie den Träumel nennen, weil er sich am liebsten auf dem zerbrochenen Mühlstein an der Lichtung die Ferne träumt. Für die Musik zu dem gemeinsam mit Uwe Stoffel ersonnenen Sprach- und Klangstück sorgte das formidable französische Frauenensemble Aquilon, das schon den ARD-Musikwettbewerb gewonnen hat.

Ravel hat seine Suite für Klavier oder Orchester im Titel dem Barockkollegen Couperin, aber eigentlich seinen im Ersten Weltkrieg gefallenen Freunden als »Grabmal« gewidmet. Von Mason Jones und David Walter stammen die Bearbeitungen für Bläserquintett. Diesen fünf trotz elegischem Grundton so hell und fein gesponnenen Tanzsätzen (ohne die Toccata) fügte sich sehr passend als Finalstück das Andante aus Jacques Iberts »Cinq pièces en Trio« bei, alles ganz wunderbar sensibel, in all den filigranen Dissonanzen und Rhythmen durchsichtig und höchst klangschön musiziert.
Kobolde und Wundervögel
Vielleicht muss man ein erfolgreicher Schauspieler sein, um das Märchen vom Mondtuch mit seien Traumkobolden, Wundervögeln und auch den nicht so ängstigenden Ungeheuern mit so geschult genauer Stimme und doch schnörkellos natürlich vorzutragen wie Stephan Baumecker. Er führte seinen Michel zu einem Hirtenjungen, dem Hüter der Träume, den der König der Wirklichkeit in einem Kokon gefesselt hatte und nach dessen Befreiung in eine neue Zeit, in der sich für die Menschen dann neben dem Wirklichen auch die Traumwelten wieder öffnen. All die fantastischen Wesen hatte der Träumel aus dem Mondtuch herausgeschüttelt, das er über die Himmelsleiter erreichen konnte.

Zur Belohnung gab es dann nicht das wunderschöne Mädchen auf der Traumschaukel, sondern die Tochter des reichen Bauern. Und nicht nur das junge Paar wurde glücklich, sondern auch der verstockte Vater gab seinen Geiz und Missmut auf und lud das ganze Dorf zur Hochzeit ein. Ganz Märchen also. Allzu lauter Beifall passte danach gar nicht zu der Verzauberung. Aber er kam doch von Herzen. (GEA)

Martin Bernklau Reutlinger Generalanzeiger 17.12.2013